Die 65. Berlinale vom 05. - 15. Februar 2015. Die Preisträgerinnen der 65. Berlinale. Eine feine kleine Filmauswahl von AVIVA-Berlin - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 02.02.2015


Die 65. Berlinale vom 05. - 15. Februar 2015. Die Preisträgerinnen der 65. Berlinale. Eine feine kleine Filmauswahl von AVIVA-Berlin
Helga Egetenmeier

Die AVIVA-Übersicht zu Filmen von und mit Frauen, aus Israel, zum Teddy-Award und den Veranstaltungen von "Pro Quote Regie" unterstützt die Auswahl aus dem üppigen Angebot. Erst zum zweiten Mal...




...wird das Filmfestival mit einer weiblichen Regiearbeit eröffnet, der Weltpremiere des Wettbewerbfilms "Nobody Wants the Night" von Isabel Coixets.

Auf der Berlinale-Pressekonferenz teilte Dieter Kosslick nicht ohne Stolz mit, dass von den ausgewählten 441 Filmen der Berlinale 115 von Frauen gemacht wurden. Immerhin sind somit 26 % Regisseurinnen vertreten, wobei es in der KönigInnenkategorie, den internationalen Wettbewerb, nur drei von 19 Filme sind.

NEWS vom 16.02.2015Die Preisträgerinnen der 65. Berlinale

Für ihr Engagement als heterosexuelle Verbündete von LGBTI Menschen in Simbabwe erhielt die HIV-positive Aktivistin Martha Tholanah den nach dem 2011 in Uganda ermordeten Menschenrechtsaktivisten benannten David Kato Vision & Voice Award der Teddy Awards.

Der Silberne Bär für die Beste Regie ging, neben Radu Jude für "Aferim", an Malgorzata Szumowska für ihr humorvolles Drama "Body" und für die beste Darstellerin an Charlotte Rampling, die in "45 Years" glänzte.

In der Sektion Shorts bekam Joanna Arnow den Silbernen Bär der Kurzfilm-Jury für ihr surreales Sexdrama "Bad at Dancing". Den mit 20.000 € dotierten Audi Shortfilm Award sicherte sich Momoko Seto für ihre irreal wirkenden Makroaufnahmen in "Planet Σ".

Für den Panorama Publikums-Preis und gleichzeitig auch den CICAE Art Cinema Award des Panoramas wurde Regisseurin Anna Muylaert ausgewählt für ihren liebevollen Blick auf ihren in Sao Paulo spielenden "Que Horas Ela Volta?" (The Second Mother) über die aufbrechenden Gegensätze zwischen Mutter und Tochter. Den Forum CICAE Art Cinema Award erhielt Sacha Polak für "Zurich", die intime Darstellung einer jungen, aus der Bahn geworfenen Frau, einfühlsam dargestellt von der Sängerin Wende Snijders.

Die Preisträgerinnen in der Sektion Generation

Der Gläserne Bär der Kinderjury Kplus und die lobende Erwähnung der Internationalen Jury ging an "Min lilla syster" (My Skinny Sister) der Regisseurin Sanna Lenken für ihr behutsam inszeniertes Schwesterndrama.
Den vom Deutschen Kinderhilfswerk gestifteten Spezialpreis der Internationalen Jury der Generation Kplus für den besten Kurzfilm im Wert von 2.500 € erhielt Astrid Bussink für ihr charmant-witziges Stück Filmkunst "Giovanni en het waterballet" (Giovanni and the Water Ballet) über einen zehnjährigen Jungen, der sich mutig fürs Synchronschwimmen begeistert.
Lobende Erwähnung fand der feinfühlig inszenierte "Agnes" von Anja Lind für ihre konsequent aus der Perspektive einer Sechsjährigen erzähltes Verhältnis zu ihrem älteren Bruder.
Den Gläsernen Bär der Jugendjury der Generation 14plus für den Besten Film erhielt Beata Gårdeler für ihr bedrückendes Drama "Flocken" (Flocking).
Der von der Bundeszentrale für Politische Bildung gestiftete Große Preis der Internationalen Jury der Generation 14plus im Wert von 7.500 € ging an Marielle Heller für "The Diary of a Teenage Girl" nach der gleichnamigen Graphic Novel von Phoebe Gloeckner, spielend in den Siebzigern in San Francisco.
Lobende Erwähnung fand "Nena", das Kinofilmdebut von Saskia Diesing über eine junge Frau, den Todeswunsch ihres fast völlig gelähmten Vaters, und der Suche nach dem eigenen Weg.




Margarete von Trotta, die erste Regisseurin, die eine Berlinale eröffnete, zeigt im Berlinale Special ihren neuen Film "Die abhandene Welt", für den sie auch das Drehbuch schrieb. Sie kehrt darin zu ihrem Schwester-Thema zurück und stellt zwei Frauen (Katja Riemann, Barbara Sukowa) in den Mittelpunkt einer gebrochenen Familiengeschichte, die nach und nach ihre Geheimnisse offenbart.

Der (leider nur) für einen Oscar nominierte Film "Selma" von Regisseurin Ava DuVernay feiert seine internationale Premiere beim Berlinale Special. Von Oprah Winfrey mitproduziert - sie spielt in einer Nebenrolle - erzählt er die Geschichte von Martin Luther Kings historischem Kampf um das Wahlrecht der afroamerikanischen Bevölkerung und seiner Unterstützung der AktivistInnen in der Südstaaten-Stadt Selma.

Die digital restaurierte Fassung von Ula Stöckls "Neun Leben hat die Katze" (BRD 1968, präsentiert von der Regisseurin) kommt bei den Berlinale Classics auf die Leinwand. Der Film gilt als Meilenstein der feministischen Filmgeschichte Deutschlands und behandelt anhand von fünf Frauen die Frage, ob und wie weibliche Emanzipation in einer männlich geprägten Gesellschaft gelingen kann.

Um die Unterrepräsentanz von Frauen im Regiegeschäft ins Gespräch zu bringen und sich für eine verbindliche Quote einzusetzen, nutzt Pro Quote Regie (PQR), der Zusammenschluss von Regisseurinnen, die Aufmerksamkeit der Berlinale. Sie laden vom 6.-11.2. in den Bubble, ein transparentes Multimediazelt am Potsdamer Platz. Von dort berichtet die Filmemacherin und Performancekünstlerin Rigoletti täglich live über den PQR Festival Channel. Mit der Podiumsdiskussion "Innovative Wege in die Diversität" laden PQR am 9.2. zum Gespräch.

Filme aus Israel

Sieben israelische Produktionen laufen in fünf Sektionen der Berlinale. Davon nur einmal zu sehen in den Berlinale Special Series ist eine Folge des israelischen Spionagethrillers "False Flag" (Regie Oded Ruskin). Entwickelt von Maria Feldman und Amit Cohen, geraten in der Serie fünf israelische ZivilistInnen in eine internationale Spionage-Affäre.

Bei Panorama Dokumente läuft der israelisch-deutsche Film "Censored Voices" von Mor Loushy über Interviews des Schriftstellers Amos Oz, der nach dem Sechstagekrieg 1967 die zurückgekehrten Soldaten befragte. Bis heute sind ein Großteil der Tonbänder von der israelischen Armee zensiert. Die Dokumentation nutzt Fragmente der Originalaufnahmen, ergänzt durch Archivbilder und den Erinnerungen der heute 70jährigen ehemaligen Soldaten.

Drei Dokumentarfilme und ein Spielfilm aus israelischer Produktion laufen im Berlinale Forum. In ihrem Debütfilm, der sensiblen Milieustudie "Ben Zaken", verweist Regisseurin Efrat Corem auf den Rand der israelischen Gesellschaft. In der Kleinstadt Ashkelon lebt der alleinerziehende Shlomi mit Tochter, Bruder und Mutter in einer heruntergekommenen Sozialsiedlung und ist zunehmend von seinem harten Alltag überfordert.

Ausschließlich mit historischen Film- und Fotoaufnahmen kompiliert, erzählt "Ha´makah ha´shmonim ve´ahat" ("The 81st Blow", Israel, 1975-1977) vom jüdischen Leben in Europa, vom Aufkommen des Nationalsozialismus, von jubelnden deutschen Massen, von Pogromen, Deportation und Vernichtung, von Aktionen des Widerstands und dem Aufstand im Warschauer Ghetto. Die historischen Quellen verknüpfen sich mit Text und Musik zu einem großen Gesang und sind somit Beweis und Denkmal.

Zwischen 1941 und 1944 wurden bei Vilnius mehr als 100.000 Menschen, mehrheitlich Juden, erschossen. "Me´kivun ha´yaar" ("Out of the Forest") befragt Überlebende und zeigt, wie grundlegend unterschiedlich die polnische und litauische Bevölkerung die Vorkommnisse wahrgenommen hat.

Die Dokumentation "Hotline" von Silvina Landsmann begleitet den Kampf einer Tel Aviver Menschenrechtsorganisation um die Rechte afrikanischer Flüchtlinge in Israel. Die Stimmung im Land wird feindlicher und der Staat setzt auf Abschreckung und Drangsalierung der "Eindringlinge".

Ein sehr persönlicher Film des Regisseurs Nadav Lapid, der fünfminütige "Lama?" ("Why?"), zeigt seine Verknüpfung der Frage nach der Kraft eines cinematografischen Bildes mit seinem Dienst als Soldat in der israelischen Armee.

Teddy Award

Der bedeutendste queere Filmpreis der Welt, der Teddy Award, kommt Filmen und Personen zugute, die queere Themen auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene kommunizieren. Im Rahmen der Berlinale werden die Preise in den Kategorien Bester Spielfilm, Bester Dokumentar-/Essayfilm und Bester Kurzfilm sowie als Special Jury Award vergeben, es konkurrieren dabei Filme aus allen Sektionen.

Die feierliche Preisverleihung der 29. Teddy-Awards findet am 13.02.2015 in der Komischen Oper Berlin statt. Im Rahmen der Hommage an Rainer Maria Fassbinder wird Ingrid Caven, seine Protagonistin, Weggefährtin und Ehefrau, die für sie geschriebenen Songs von Fassbinder interpretieren. Der Special Teddy Award 2015 für die künstlerische Lebensleistung geht an den Schauspieler Udo Kier.

Wettbewerb

In der diesjährigen Berlinale konkurrieren 19 Filme um den Goldenen und der Silbernen Bären, darunter drei von Regisseurinnen, um den goldenen Bären. Drei Frauen sitzen in der sechsköpfigen Jury unter dem Vorsitz von Regisseur Darren Aronofsky: Audrey Tautou, Martha De Laurentiis und Claudia Llosa. Auf der Leinwand brillieren unter männlicher Regie viele starke Schauspielerinnen, wie Charlotte Rampling und Geraldine James ("45 Years"), Cate Blanchett und Natalie Portman ("Knight of Cups"), Nicole Kidman ("Queen of Desert"), sowie Helen Mirren (Woman in Gold", Berlinale Special) und Helen Bonham Carter ("Cinderella").

Der in der arktischen Abgeschiedenheit Grönlands spielende Abenteuerfilm "Nobody Wants the Night" der Regisseurin Isabel Coixet eröffnet die Berlinale. 1908 folgt die Schriftstellerin und Nordpolfahrerin Josephine Diebitsch Peary ihrem Mann in das ewige Eis und verbringt, in Einsamkeit und abweisender Natur, zusammen mit der Inuitfrau Allaka in einem Basislager den dunklen Winter.

Der in Albanien spielende Debütfilm "Vergine giurata" ("Sworn Virgin") von Laura Bispuri, mit Alba Rohrwacher als Hanna, folgt dem Leben einer Frau, die nach altem Brauch durch den Schwur ewiger Jungfräulichkeit der Ehe entgeht. Fortan gilt sie als Mann, doch nach vielen Jahren will sie ihr Leben ändern.

Bereits zum dritten Mal auf der Berlinale ist Regisseurin Malgorzata Szumowska. Sie erzählt mit den Elementen der schwarzen Komödie in "Body" von Magersucht, Trauer und Einsamkeit und den Schwierigkeiten, den Verlust geliebter Menschen zu verarbeiten.

Panorama

Aus den 34 Spielfilmen aus 29 Ländern fokussiert die kleine Auswahl aus diesem Bereich auf einen Frauenthriller und ausgewählte Regisseurinnen.

Amira Casar spielt in dem Thriller "Der letzte Sommer der Reichen" eine skrupellose, attraktive Konzernchefin, die am liebsten Lack und Leder trägt. Die Kollateralschäden ihres Lebenswandels repariert sie mit Geld und so soll auch ihr reaktionärer bettlägeriger Großvater beseitigt werden. Ihr Glück ist scheinbar perfekt, als sie in der Nonne Hanna eine ebenbürtige Liebhaberin findet.

Die Widerständigen "also machen wir das weiter…", eine gemeinsame Regiearbeit mit Gesprächen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus, stellte Ula Stöckl nach dem Tod ihrer langjährigen Freundin und Kollegin Kathrin Seybold fertig. "Die Filme, die ich mache, müssen gemacht werden, denn wenn die Menschen tot sind, sind sie tot, dann haben wir nur noch die Gestapo-Protokolle, die Protokolle der Täter, das geht doch nicht" - diese Äußerung der 2012 verstorbenen Regisseurin Katrin Seybold steht zu Beginn dieses, ihres letzten Films.

Die Lebensgeschichte von Nina Simone, die sich von einer begabten Jazz- und Klassikpianistin zur hochpolitischen Menschenrechtsaktivistin entwickelt, erzählt "What Happened Miss Simone?" von Liz Garbus. Der Film entwickelt ein Stimmungsbild aus Filmdokumenten, Interviews und der Musik der großen Sängerin.

Regisseurin Véronique Aubouy porträtiert mit "Je suis Annemarie Schwarzenbach" eine schillernde Figur der Bohéme der Zwanzigerjahre, die eine begabte Schriftstellerin, lesbisch, drogensüchtig und betörend androgyn war. 16 junge SchauspielerInnen bringen sie in die Gegenwart und lassen die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung verschwimmen.

Die hippe Lesbenband "Dyke Hard", (Regie Bitte Andersson) trennt sich nach ihrem ersten Megahit und will nun bei einem Battle of the Bands neu starten. Und damit geht das Abenteuer los: ein Geisterhaus, den Todestrakt, einen schwulen Gefängniswärter, eine Bilderbuch-Oma, Cyborgs und Ninjas gilt es zu überwinden, um noch rechtzeitig zum Bandwettstreit zu gelangen.

Sangailé ist fasziniert vom Kunstfliegen, traut sich aber nichts zu, bis sie die selbstbestimmte Auste kennenlernt und ihren Weg findet. "Sangailė" (Regie Alanté Kavaité) führt mit einfühlsamer Intensität in die isolierten Gefühlswelten zweier gegensätzlicher junger Frauen, die durch ihre tiefe Freundschaft Selbstvertrauen entwickeln.

Um eine besondere junge Frau geht es in "Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern" (Regie: Stina Werenfels). Als Doras Mutter die Psychopharmaka ihrer geistig behinderten Tochter absetzt, schockt deren aufkeimende Sexualität die Eltern und erfordert eine Neubestimmung ihrer Beziehungsgrenzen.

Perspektive Deutsches Kino

Die Sektion gilt der Unterstützung deutscher NachwuchsfilmerInnen und verlangt wenig formale Beschränkungen, wie die Auswahl zeigt.
Aus dem Off erzählen in "Freiräume" vier Frauen der Regisseurin Filippa Bauer von dem plötzlichen Ende ihrer Mutterrolle, als ihre erwachsenen Kindern aus dem gemeinsamen Haushalt ausziehen. Die räumliche und emotionale Leere der getrennt, geschieden oder verwitwet lebenden Mütter stellt sie vor die Herausforderung, sich neu zu erfinden.

Über mehr als eingefahrene Geschlechterrollen geht es in der Dokumentation "Sprache:Sex" (Regie: Saskia Walker, Ralf Hechelmann), in der 16 Personen zwischen 13 - 74 Jahren vor der Kamera in einzelnen und sehr persönlichen Gesprächen von ihrem Intim- und Sexualleben sprechen.

Als die 40-jährige "Wanja" (Regie: Carolina Hellsgård) nach jahrelanger Haft zurück ins Leben geworfen wird, sucht sie fernab von Kriminalität und Drogensucht einen neuen Weg für sich. Anne Ratte-Polle verkörpert in diesem Spielfilm Wanja, die auf die 16-jährige Emma trifft, in der sie ihre frühere Widerspenstigkeit erkennt. Dennoch entwickelt sich zwischen den beiden langsam eine zaghafte Freundschaft.

Forum

Für viele FilmfreundInnen ist das sich zwischen Kunst und Kino bewegende Forum (ausgerichtet vom Arsenal e.V.) die große Chance, neue internationale Produktionen aller Formate zu sehen, die es meist nicht ins nationale Kino schaffen. Hier eine kleine Auswahl:

Vom Sehnsuchtsort Meer erzählt "Exotica, Erotica, Etc.", Regie Evangelia Kranioti, und zeigt große Containerschiffe, deren Besatzungen und die Frauen, die in Häfen und Spelunken warten. Die Regisseurin, die an Bord riesiger Frachter allein unter Männern 16 Länder bereiste und in verschiedenen Hafenstädten mit Prostituierten lebte, verdichtet ihren filmischen Essay über Freiheit und Begehren mit einem treibenden Soundtrack.

In ihrem zweiten Spielfilm "Hedi Schneider steckt fest" nimmt Sonja Heiss sich mit Humor eines ernsten Themas an: die sorglose Hedi erleidet plötzlich Panikattacken. Dadurch gerät sie und ihre fröhliche Kleinfamilie aus den Fugen. Zwischen Tragik und Komik balancierend, fordert der Film die ZuschauerInnen immer wieder zum Umdenken heraus.

Die stumme Halbwaise Serap wünscht sich ein Familienleben mit ihrem Vater. Dafür spart sie und sucht eine Wohnung, doch er enttäuscht sie immer wieder. Für sie eine existenzielle Beziehung, scheint die Tochter dem Vater nur lästig zu sein. Regisseurin Emine Emel Balci erzählt in "Nefesim kesilene kadar" ("Until I Lose My Breath") eine bedrückende Tochter-Vater-Geschichte.

Weil sie Geld braucht, geht Maria an den Ort zurück, an dem sie Schlimmes erlebt hat, doch sie steckt sich einen Revolver ein. In "La mujer de barro" ("The Mud Woman")
erzählt der chilenische Regisseur Sergio Castro San Martín die Geschichte brutaler Machtverhältnisse und Ausbeutung, denen er die Zähigkeit weiblicher Körper und die Solidarität zwischen Frauen entgegenstellt.

Elza lebt in einer kleinen Stadt am Kaspischen Meer als Frau eines Fischers in einer ungeliebten, jedoch Halt gebenden Tradition. Regisseurin Ella Manzheeva inszeniert in ihrem Debütfilm "Chaiki" ("The Gulls") visuelle Zugänge in das Innenleben der zur schwangeren Witwe gewordenen Frau, die ihren Weg durch Kalmückien und ihr Leben sucht.

Von zwei Frauen namens Helen, beide lebend in Troy (New York) erzählt "H." (Regie: Rania Attieh, Daniel Garcia), angelehnt an die Geschichte der Helena von Troja. Die verheiratete 60-Jährige versorgt eine lebensechte Babypuppe, die andere Helen ist schwanger und Teil eines erfolgreichen Künstlerpaares. In vier Kapiteln greift der Film den Mythos als Erzählform auf, in dem mysteriöse Ereignisse das Leben der beiden Frauen grundlegend verändern.

An Autobahnen und Raststätten führt die junge Nina das traurige Leben einer Drifterin. Regisseurin Sacha Polak folgt in "Zurich" der aus der Bahn ihres Lebens geworfen, die in allumfassender Trauer gefangen scheint. Aufflackernde Erinnerungen verweisen auf den Verlust, der ihr den Boden unter den Füßen entzogen hat.

Generation 14plus und Kplus

Bei Kindern und Jugendlichen, wie auch Erwachsenen beliebt ist diese engagierte Sektion, die neben coming-of-age-Filmen auch gesellschaftliche Umbrüche und geschlechtliche Identitätsfindungen thematisiert.

"Wonderful World End" (Regie Daigo Matsui) folgt dem Leben zweier japanischer Gothic-Mädchen, die durch das Internet zueinander finden. Um die 17-jährige Shiori persönlich kennenzulernen, reißt die schüchterne Ayumi von Zuhause aus. Trotz linearer Erzählform entwickelt sich keine stringente Geschichte, aber gerade deshalb ein Portrait junger Frauen im Umbruch, die immer wieder in Smartphone-Ästhetik eingefangen wird.

Manchmal unruhig, manchmal kräftig und klar, zeigen große Bilder, wie die zwölfjährige Mina sich willensstark durch ihr bedrängtes Leben kämpft. "Mina Walking" (Regie Yosef Baraki) begleitet fast dokumentarisch die taffe Halbwaise auf dem Weg zur Schule und zur Arbeit durch das patriarchal geprägte Stadtbild Kabuls. Als ihr seniler Großvater stirbt, bleibt ihr nur noch der drogenabhängige Vater. Langsam bricht ihre traurige Welt vollends zusammen. Als sie sich eine Burka kauft, wird diese gleichsam Versteck und Gefängnis.

In der fast vergessenen Tradition des hawaiianischen Volkes gibt es drei Geschlechter, Frau, Mann und den Platz in der Mitte. Die Shortfilm-Dokumentation "Kumu Hina" ("A Place in the Middle") begleitet eine kurze Zeit das Leben der elfjährigen Ho´onani. Von ihrer Lehrerin, die früher als Mann lebte, als auch von ihren Eltern, wird sie darin unterstützt, ihren männlichen Anteil gemäß der alten Kultur selbstbewusst zu leben.

Das Maya-Mädchen Rocío lebt mit Mutter und Großmutter in einer ärmlichen Hütte hoch oben in den Bergen. Als ihre schwangere Mutter in den Wehen liegt, muss sie die Verantwortung für die Schafe, den Lebensunterhalt der kleinen Familie, übernehmen. "La casa más grande del mundo" ("The Greatest House in the World", Regie Ana V. Bojórquez und Lucía Carreras), zeigt das karge Leben dreier Frauengenerationen in der atemberaubenden Berglandschaft Guatemalas in ruhigen, fast meditativen Bildern.

Und sonst noch...

Im Rahmen der Eröffnung des Kulinarischen Kinos am 8. Februar 2015 werden die Food-AktivistInnen und Slow-Food-BegründerInnen Alice Waters und Carlo Petrini mit der Berlinale Kamera geehrt.

Das Haus der Berliner Festspiele zeigt 50 ausgewählte Filmplakate der Grafik- und DesignkünstlerInnen Margrit und Peter Sickert, die zwischen den 1960er und 1990er Jahren über 300 Filmplakate gestalteten und damit maßgeblich das Gesicht des Neuen Deutschen Films prägten und auch für internationale Filme entwarfen.

Mehr Infos unter:

www.berlinale.de

www.teddyaward.tv

www.proquote-regie.de




Kunst + Kultur

Beitrag vom 02.02.2015

Helga Egetenmeier